Elektrosmog beeinflusst Zugvögel
Der Magnetkompass von Rotkehlchen versagt, sobald elektromagnetische Störungen auf sie einwirken.
Zugvögel nutzen im Herbst und im Frühjahr das Magnetfeld der Erde, um den Weg zu ihren Winterquartieren und wieder zurück zu finden. Doch wie eine jetzt in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlichte Studie zeigt, können selbst schwache elektromagnetische Felder die Orientierung von Zugvögeln stören.
Nicht nur der Mensch, auch Tiere reagieren auf schwache Strahlung.
Die gewonnenen Erkenntnisse stellen den bisherigen Stand der Wissenschaft nun auf den Kopf: «Bisher galt, dass Elektrosmog unterhalb bestimmter Grenzwerte keine Auswirkungen auf biologische Prozesse hat», sagt Henrik Mouritsen von der Universität Oldenburg, der an der Studie beteiligt war.
Sogar weit unterhalb des WHO-Grenzwerts
Das Forscherteam fand heraus, dass das sensorische System von gesunden Rotkehlchen nicht mehr funktioniert, sobald bestimmte elektromagnetische Felder im Mittelwellenbereich auf sie einwirken. Das sei sogar dann der Fall, wenn die Signale nur ein Tausendstel des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als unbedenklich eingestuften Grenzwerts betragen. Die Störungen stammen dabei nicht von Hochspannungsmasten oder Mobilfunknetzen, sondern im Wesentlichen von Elektrogeräten und liegen im Radiowellenbereich.
In der Stadt orientierungslos
Mouritsen machte seine Experimente zunächst auf dem Campus der Universität Oldenburg.
- Er setzte Rotkehlchen während der Zeit des Vogelzugs nachts für eine Stunde in einen trichterartigen sogenannten Orientierungskäfig.
- Dabei nutzte er das spontane Verhalten der Vögel, nachts in die Richtung zu hüpfen, in die sie fliegen würden.
Unter normalen Bedingungen konnten die Rotkehlchen ihren inneren Kompass nicht nutzen und waren orientierungslos. Erst als die Käfige mit speziellen Aluminiumplatten vom Elektrosmog abgeschirmt wurden, konnten die Vögel wieder normal navigieren.
Auf dem Land kein Problem
Die Wissenschaftler wiederholten den Versuch auch in ländlicher Umgebung, wo elektromagnetische Strahlung in der Regel deutlich schwächer ist als in der Stadt. Dort funktionierte der innere Kompass der Zugvögel einwandfrei.
«Natürlich sind die Auswirkungen des Elektrosmogs auf den Vogelzug somit lokal begrenzt», sagte Mouritsen. «Dennoch sollten uns diese Ergebnisse zu denken geben — sowohl was die Überlebenschancen der Zugvögel als auch, was mögliche Effekte für den Menschen angeht, die es noch zu untersuchen gilt.»
Quelle: SDA, Tages Anzeiger, Mai 2015